Gymnasium 111 (2004)
O. Hellmann: Tristes Leben auf dem Lande? Das pseudo-vergilische Moretum und die poetische Darstellung des Landlebens in der römischen Literatur

Die Darstellung einer bäuerlichen Alltagsszene im pseudo-vergilischen Moretum wurde in der Forschung vielfach als realistische Schilderung des Landlebens gesehen, die sich mit den traditionellen poetischen Bildern des Landes, insbesondere den Werken Vergils, kritisch auseinandersetze. Demgegenüber versucht der Vf. zu zeigen, dass es sich beim Moretum um eine literarische Konstruktion handelt, die zentrale Elemente der Tradition poetischer Imagination des Landlebens adaptiert und so für das städtische Publikum Ansatzpunkte zu positiver Evaluation liefert. Die vielschichtige Ambivalenz des Textes und das grundsätzlich veränderte Umfeld zur Entstehungszeit des Gedichts im 1. Jh. n. Chr., in der das Thema "Land" seine politische Bedeutung der augusteischen Zeit weitestgehend verloren hatte, sprechen gegen eine antivergilische Tendenz. Der Dichter des Moretum variiert ein "altes" Thema und sucht die Auseinandersetzung mit Vergil allenfalls auf künstlerischem Gebiet.
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