Gymnasium 112 (2005)
R. Henneböhl: "Stumm vor Schmerz ist die Lyra": Der Gesang des Orpheus und die Entstehung der Liebeselegie. Zur Aussageabsicht des zehnten Buches der Metamorphosen Ovids

Wie gehen Menschen und Götter mit dem Erlebnis von Liebe und Tod, Leidenschaft und Trauer um? Wie bewältigen sie - in je unterschiedlicher Weise - Erfahrungen von Schuld, Verlust, Einsamkeit und Angst? Dies sind existentielle Fragen, die Ovid im zehnten Buch der Metamorphosen, dem Trauergesang des Orpheus, in eindringlicher Weise behandelt. Doch die Aussageabsicht liegt nicht nur auf der existentiellen, sondern auch auf der poetischen bzw. poetologischen Ebene. In einer fiktiven Konstellation rekonstruiert Ovid die Erfindung von Epigramm und Elegie. Orpheus, Apollon und Venus entdecken auf Grund von Todeserfahrungen das Epigramm und die Elegie als Mittel zur Bewältigung von Trauer und Verlust. Sie werden damit zu Begründern und mythischen Patronen dieser beiden Gattungen. Intertextuelle Bezüge zur zehnten Ekloge Vergils (Gallus-Elegie) untermauern die poetologische Bedeutung des zehnten Buches.
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