Wie gehen Menschen und Götter mit dem Erlebnis von Liebe und Tod,
Leidenschaft und Trauer um? Wie bewältigen sie - in je
unterschiedlicher Weise - Erfahrungen von Schuld, Verlust,
Einsamkeit und Angst? Dies sind existentielle Fragen, die Ovid im
zehnten Buch der Metamorphosen, dem Trauergesang des Orpheus, in
eindringlicher Weise behandelt. Doch die Aussageabsicht liegt nicht
nur auf der existentiellen, sondern auch auf der poetischen bzw.
poetologischen Ebene. In einer fiktiven Konstellation rekonstruiert
Ovid die Erfindung von Epigramm und Elegie. Orpheus, Apollon und
Venus entdecken auf Grund von Todeserfahrungen das Epigramm und die
Elegie als Mittel zur Bewältigung von Trauer und Verlust. Sie werden
damit zu Begründern und mythischen Patronen dieser beiden Gattungen.
Intertextuelle Bezüge zur zehnten Ekloge Vergils (Gallus-Elegie)
untermauern die poetologische Bedeutung des zehnten Buches.
|