Seit jeher wurde die Pythagorasrede im 15. Buch von Ovids
Metamorphosen als eine der interessantesten, aber auch am
schwierigsten zu deutenden Passagen des gesamten Epos angesehen.
Nach einer kurzen Zusammenfassung der bisher in diesem Bereich
geleisteten philologisch-kritischen Arbeit will der vorliegende
Interpretationsansatz den Versuch unternehmen, eine Brücke zwischen
den Inhalten der pythagoreischen Philosophie und einem uralten
poetisch-kompositorischen Grundkonzept zu schlagen. Ovid, so lautet
die vertretene Grundthese, hat sich der pythagoreischen
Seelenwanderungslehre bedient, um den neuen, sich an
historiographischen Parametern orientierenden Gestaltungsprinzipien
innerhalb der Epik entsprechen und gleichzeitig seine eigene
Stellung als Dichter auf gewitzte Weise legitimieren zu können.
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