Gymnasium 110 (2003)

K.-W. Welwei/M. Meier: Charietto - ein germanischer Krieger des 4. Jahrhunderts n.Chr.
Zosimos (3,7) erzählt die phantastische Geschichte eines germanischen Kriegers im Heer Julians, um aus heidnischer Perspektive im Anschluß an Eunapios (fr. 18,3-5 Blockley) zu demonstrieren, daß nach dem Versagen christlicher Kaiser erst Julian in der Lage gewesen sei, die Außengrenzen des Imperium Romanum gegen germanische Raubscharen wirkungsvoll abzuschirmen. Die Charietto-Gechichte wurde offenbar von Anhängern der alten Kulte in ihrer Auseinandersetzung mit dem Christentum als Paradigma einer erfolgreichen Einbindung barbarischer Invasoren in die Ordnung des Römerreiches propagandistisch instrumentalisiert. Es wird das Bild eines Räubers gezeichnet, der in der Übergangszone zwischen dem Barbaricum und der römischen Lebensweise gleichsam in die Zivilisation hineinwächst, sich assimiliert und schließlich durch die ihm aus seinem Herkunftsgebiet vertraute Formierung einer verläßlichen Gefolgschaft zum Beschützer seiner neuen Heimat wird. Die Erzählung enthält älteres Traditions- und Bildungsgut, das z. B. auch in den Berichten über den Räuber Bulla Felix in der Severerzeit und über Maternus während der Regierung des Commodus zur Kritik an Defiziten römischer Herrschaftssicherung verwendet wird. Darüber hinaus bietet die Geschichte Aufschlüsse über Rituale und Vorstellungswelt germanischer Kriegergemeinschaften.
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