1-6  R. Martínez Nieto:
Orphisches im neuen Sappho-Fragment PKöln 430


7-28  C. Ames / G. De Santis:
Die Konstruktion ethnischer Identitäten in augusteischer Zeit: Vergils Aeneis

Zahlreichen Studien über die Konstruktion ethnischer Identitäten, die Ethnographie und die Ethnogenese der antiken Römer und Italiker sehen die Aeneis als ein auf Versöhnung basierendes Gedicht über die Genese einer Stadt und eines neuen Volkes an. Die Aeneis bietet ohne Zweifel Modelle für die Konstruktion der römisch-italischen Identität und die Ethnogenese des römischen Volkes. Viele ihr gewidmete Studien bemühen sich zwar, die weit verbreitete Vorstellung von der italischen Einheit zu bewahren, beachten dabei aber nicht, dass diese Einheit nicht nur auf der Basis von Integration, sondern auch durch Auswahl und Vernichtung geschaffen wurde, da auch Völker vorkommen, mit denen es keine Versöhnung gab. Eine Untersuchung des in der Aeneis beschriebenen Prozesses der Gründung eines Volkes muss auch diese besiegten Völker einschließen, sowie die Mechanismen der Verdrängung betrachten. In der Aeneis werden die Ethnien nach römischen und augusteischen Kriterien beschrieben und kategorisiert. Die verwendeten ethnographischen Vektoren ermöglichen die Gegenüberstellung von solchen Volksgruppen, die als für die Zugehörigkeit zum imperium sine fine geeignet und ihrer würdig angesehen werden, und anderen davon ausgeschlossenen, da sie ähnliche Merkmale wie Troianer, Phryger und Karthager besitzen. Diese Modelle sind der Filter, der es Vergil erlaubt, mit dichterischen Mitteln jene italischen Volksgruppen zu charakterisieren, die nicht den Erwartungen der Römer entsprachen. Am Beispiel der Rutuler soll in diesem Aufsatz die Wirkungsweise dieser negativen ethnographischen Vektoren in der Darstellung einer Ethnie untersucht werden.


29-41  K. Brodersen:
Ein abgeschlossenes Sammelgebiet? Neufunde paganer Literatur aus der Antike


43-56  E. Baltrusch:
"Kriege für die Freiheit der Anderen". Roms imperiale Mission im 2. Jahrhundert v. Chr.


57-67  B. Lang:
Eine Weltsprache verschwindet. Latein in der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert

Latein, in früheren Jahrhunderten der römisch-katholischen Kirche als Kanzleisprache der römischen Kurie, Quellensprache im Theologiestudium und Sprache der Liturgie dienend, hatte den Rang einer Weltsprache. Zwar wird Latein noch heute als Kanzleisprache benutzt, jedoch hat sie ihre beherrschende Stellung im Studium und in der Liturgie verloren. Der Rückgang lateinischer Sprachkenntnisse beim Klerus hängt wesentlich mit der Einführung des volkssprachlichen Breviers zusammen.


105-133  S. Müller:
Die frühen Perserkönige im kulturellen Gedächtnis der Makedonen und in der Propaganda Alexanders d. G.

Die Darstellung der Perserkönige Kyros II., Kambyses II., Dareios I. und Xerxes I. in den Primärberichten zum Eroberungszug Alexanders sind in auffallendem Maße an die Sprachregelung Herodots angelehnt, die im Zuge der panhellenischen Strömung besondere Aktualität gewonnen hatte. Dies wird Alexanders Propaganda reflektieren: Als persische Identifikationsfigur mit erhofftem integrativem Potential wählte er Kyros II. in seinen positiven Aspekten. Dagegen diskreditierte die Schlüsselrolle des Xerxes in der panhellenischen Ideologie ihn und seinen Vater Dareios I. als Modell. Alexanders Abkehr von der panhellenischen Parole im Zuge seiner Annäherung an die achaimenidische Tradition, die in breiten Kreisen auf Ablehnung stieß, konnte sich zu seinen Lebzeiten nicht durchsetzen und blieb ohne Einfluss auf die Darstellung der frühen Perserkönige.


135-155  T. Choitz:
Caesars Darstellung der Schlacht von Gergovia

In dem Artikel wird in detaillierter Analyse untersucht, wie Caesar bei der Darstellung der Schlacht von Gergovia (BG 7,36-53) die Niederlage durch sprachliche Mittel minimiert, dann betrachtet, welche Faktoren er für die Niederlage verantwortlich macht. Dabei zeigt sich, dass Caesar die Niederlage letztlich auf einen einzigen kurzen Satz zusammendrängt, der in der Erzählung nachgerade verschwindet. Als Ursachen für die Niederlage führt er Stereotypen an (besonderer Kampfesmut der Soldaten, ungünstiges Gelände), womit er aber vielleicht eine Fehleinschätzung der Lage durch den Feldherrn zu kaschieren versucht (eine Fehleinschätzung bzgl. der Rolle der Häduer in der Schlacht).


157-177  S. Weise:
Lydia, dormis? - Horaz in Hermann Wellers "Y"

Der Gymnasiallehrer und spätere Professor für Indologie Hermann Weller hat Anfang des letzten Jahrhunderts mit seinen lateinischen Gedichten zahlreiche Preise gewonnen und genoss daher über Deutschland hinaus Bekanntheit. Man hat ihn schon damals wegen der Gefälligkeit seiner Verse gelobt. Einen bisher weitgehend unbekannten Zug seiner Dichtung hat Uwe Dubielzig durch einen Vortrag zu dem Gedicht "Y", mit dem Weller im Jahre 1938 die Goldmedaille beim certamen Hoeufftianum in Amsterdam gewann, enthüllt. Er konnte zeigen, dass das 1937 entstandene Gedicht eine verschlüsselte Anklage der zunehmenden Judenverfolgung im NS-Staat ist. Auf der Grundlage dieser Deutung wird im vorliegenden Aufsatz die Rolle des Horaz in dem Gedicht untersucht. Es soll gezeigt werden, dass dieser Dichter nicht zufällig in das Gedicht eingebaut ist, sondern als Gegenbild zur immer weiter um sich greifenden Barbarei.


211-235  H. Flashar:
Inszenierung der Antike. Supplement I

Vorbemerkung der Hausausgeber: Hellmut Flashar hat in seinem 2009 in zweiter, erweiterter Auflage erschienenen Buch Inszenierung der Antike die Präsenz des antiken Dramas auf der öffentlichen Bühne an signifikanten Inszenierungen bis einschließlich 2007 verfolgt. Da weiterhin insbesondere die griechische Tragödie unvermindert auf den Spielplänen unserer Bühnen steht, nicht jedoch in kurzen Abständen Neuauflagen des Buches erwartet werden können, wird Hellmut Flashar in dieser Zeitschrift von Zeit zu Zeit über die weitere Entwicklung berichten und damit sein Buch aktualisieren.
Im Folgenden bezeichnen Datumsangaben jeweils die Premiere eines Stückes; die Abkürzung "Insz. d. Ant." verweist auf die 2. Auflage des Buches Inszenierung der Antike. Aus der Fülle der Inszenierungen kann nur eine repräsentative Auswahl besprochen werden.


237-256  A. Klingenberg:
Bonum oder malum exemplum?

Historische Beispiele waren bei den Römern ein wichtiges Argumentationsmittel. Solche exempla dienten etwa zur Veranschaulichung von Normen und Verhaltensrichtlinien, zur Untermauerung einer Aussage und als Argument im politischen Diskurs. Wurden hauptsächlich Römer als Beispiel verwendet, so zog man manchmal auch prominente auswärtige Personen heran. Am Ende der römischen Republik und zu Beginn des augusteischen Principates taucht der makedonische König Philipp II. als historisches Beispiel auf, an dem nicht nur wie bei gewöhnlichen exempla bestimmte Verhaltensrichtlinien oder Tugenden demonstriert wurden. Vielmehr wird gerade mit diesem Beispiel eine darüber hinausgehende politische Aussage verbunden.


257-276  M. Jehne:
Caesars Rolle im Geschichtsprozess

Die Forschung zu Caesars Einwirken auf den Verlauf der römischen Geschichte wird in Auswahl nachgezeichnet. Lange Jahre stand die 1953/4 von Hermann Strasburger und Matthias Gelzer diskutierte Frage im Vordergrund, ob Caesar ein Staatsmann war, d.h. ob er über persönliche Vorteile hinaus die Verbesserung der Lage des Gemeinwesens als Ziel vor Augen hatte und bewusst Schritte einleitete, um dieses Ziel zu fördern. Diese Frage wurde zuletzt meist negativ beantwortet, so dass jetzt eher das Problem im Zentrum steht, inwieweit Caesar infolge seiner Durchsetzungsbereitschaft und Fixierung auf die eigene Ehre den Niedergang der römischen Republik erheblich beschleunigte und ob er damit einen unvorhersehbaren Zufall verkörperte, der den Geschichtsprozeß intensiv beeinflusste.


315-344  R. Bichler:
Die Fahrt zu den Grenzen der Erde. Von Herodot bis zur Alexander-Historiographie

Im Zentrum der Betrachtung stehen Berichte von Entdeckungsfahrten, die an die Randzonen der Oikumene vorstießen bzw. vorgestoßen sein sollen. Für sich betrachtet stellt sich bei jedem dieser Berichte die Frage nach seiner Authentizität etwas anders, wobei in der Forschung eine Tendenz dahin geht, möglichst viel an historischer Realität hinter manch literarischen Überhöhungen oder Verformungen dingfest zu machen. Betrachtet man indes die hier vorgestellten Berichte in einem größeren Zusammenhang, wird die Problematik einer reinlichen Scheidung zwischen fact und fiction deutlicher sichtbar. M. E. führt das Gros dieser Berichte aus dem Bereich realer Erfahrung in Randbereiche der Welt, die nur mehr durch theoretisch fundierte Spekulationen erschlossen werden, wobei die Übergänge fließend sind. Die Frage nach der Authentizität dieser Fahrten-Geschichten lässt sich daher kaum eindeutig klären. Doch gewinnt ihre Betrachtung damit nur an Reiz.


345-354  J. Hindermann:
Verliebte Delphine, schwimmende Inseln und versiegende Quellen beim älteren und jüngeren Plinius

Plinius der Ältere wird in den Epistulae des jüngeren Plinius als literarisch und politisch unermüdlich tätiger Mann mit vorbildlichem Lebenswandel beschrieben, der sowohl dem Leser als auch dem Verfasser der Briefe als exemplum dient. Während der Fokus der Forschung bis dato auf der Darstellung des älteren Plinius durch seinen Neffen lag, wird in diesem Beitrag untersucht, wie das literarische Werk des älteren auch die Themenwahl des jüngeren Plinius prägte. Es soll gezeigt werden, dass der jüngere Plinius selbstbewusst zum Vergleich mit seinem Onkel herausfordert, indem er mit seinem Delphin-Brief (9,33) und zwei Briefen über Naturwunder (die Quelle am Lacus Larius 4,30 und die schwimmenden Inseln auf dem Lacus Vadimonis 8,20) mirabilia aufgreift, die auch in der Naturalis historia erwähnt, in den Epistulae aber passend zur literarischen Gattung Brief poetisch um- und neu gestaltet werden.


355-389  E.M. Stern:
Zu Martial 14,94. Überlegungen eines Glasbläsers

In diesem Beitrag wird eine neue Deutung von Martial 14,94 vorgeschlagen. Die calices audaces werden als Glasgefäße identifiziert, deren Gestalt eine Herkuleskeule nachahmt. Zu den linguistischen Ergebnissen gehören das Aufzeigen einer noch nicht belegten Bedeutung des Verbums ardere sowie die Erkenntnis, dass die im Oxford Latin Dictionary für das Wort audax vorgeschlagene, nur an dieser Stelle vorkommende Bedeutung "billig, wertlos" aus dem Lexikon gestrichen werden sollte. Das bisher von allen Interpreten bei der Erklärung zu Hilfe gezogene Gedicht Martial 12,74 hat nichts mit 14,94 zu tun und ist in diesem Zusammenhang eher irreführend.


371-382  B. Zimmermann:
Dionysos in der Polis. Zur kultischen und politischen Dimension der griechischen Tragödie


383-389  W. Raeck:
Ilios als Stein des (Denk-) Anstoßes. Bemerkungen zu Frank Kolbs Buch "Tatort Troia"


391-396  Chr. Reitz:
Zwei neue Bücher zu antiken Fachtexten


421-427  Z. Adorjáni:
Der Lichtglanz des Perseus. Eine Bemerkung zu Sim. Fr. 543,11 PMG


429-456  S. Müller:
In Abhängigkeit von Alexander. Hephaistion bei den Alexanderhistoriographen

Von Hephaistion, dem besten Freund Alexanders d.Gr. und einem seiner höchsten Offiziere, werden verschiedene Charakterzeichnungen bei den Alexanderhistoriographen überliefert, die primär vom Urteil der einzelnen Autoren über Alexander abhängig sind. Es gilt daher, diese unterschiedlichen Porträts Hephaistions und ihre Hauptmotive, die Charakterisierung als Alexanders Jugendfreund, Alter Ego und Patroklos im Rahmen einer Achilleus-imitatio, kritisch zu hinterfragen und auf dieser Basis auch das vorherrschende Forschungsurteil zu überdenken.


457-462  E. Kraggerud:
Der Friedensgedanke des Anchises: Zu Aeneis 6,852


463-482  W. Suerbaum:
Neun Jahre Liebe im Untergrund bei Tacitus, Cassius Dio und in Plutarchs Amatorius. Zu einem Vorverweis in Tacitus' Historiae 4,67,2

Tacitus verweist hist. 4,67,2 in seiner Schilderung des Bataver-Aufstandes im J. 70 n. Chr. voraus auf das Ende eines der Rebellen, des keltischen Lingonen-Fürsten Julius Sabinus, das er suo loco darstellen werde. Dieser habe nämlich, nicht zuletzt durch die Hilfe seiner Frau, noch 9 Jahre in einem unterirdischen Versteck überleben können. Leider ist Tacitus' Behandlung des Jahres 79, zusammen mit mehr als zwei Dritteln der Historiae-Bücher, untergegangen. Aber da Tacitus seine erzähltechnischen Vorverweise, soweit wir das nachprüfen können, immer einlöst, dürfen wir nach Überlieferungen suchen, die Ersatz bieten. Das sind Cassius Dio 66,16,1-2 (mit 66,3,1-3) und vor allem Plutarchs 'Gespräch über die Liebe' (Amatorius), dessen Kapitel 25 romanhafte Einzelheiten über neun Jahre Liebe im Untergrund enthält, die aber auf einen eben dort geborenen Sohn des Sabinus zurückzugehen scheinen.


483-502  Benedikt Simons:
Kaiser Julian, Stellvertreter des Helios auf Erden

Kaiser Julian (361-363 n.Chr.) war nicht nur Vertretern des Christentums verhasst, sondern auch heidnischen Zeitgenossen suspekt. Diese Differenzen beruhten auch auf unterschiedlichen Vorstellungen von der Herrscherrolle: Gegenüber dem Bild, das die Öffentlichkeit von der Führungsfigur des Kaisers entwickelt hatte, wird Julian von Zeitgenossen wie von der modernen Forschung das Leitbild eines "Philosophen auf dem Kaiserthron" unterstellt. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag Julians kaiserliches Rollenverständnis, wobei das Zentrum der religiös anmutende Hymnus an Hilios bildet. Julians Leitbild ist eine neuplatonisch-heidnische Analogie zum christlichen bei Eusebios von Caesarea, die sich schlüssig in Julians Gesamtkonzept einer heidnischen Staatskirche einfügt, aber den Zeitgenossen verschlossen blieb.


547-561  A. A. Lund:
Ist die Darstellung der Fauna der Hercynia silva (Caes. Gall. 6,25-6,28) Fiktion oder Wahrheit?

In diesem Beitrag geht es um das Verständnis der Schilderung der Tierwelt des Herkynischen Waldes bei Caesar. Im ersten Teil wird die Frage der Echtheit des Exkurses textkritisch überprüft, der Wortlaut sprachlich emendiert und als caesarisch erwiesen. Im zweiten Teil wird das damit verknüpfte Problem, ob die Erzählung als Dichtung oder Wahrheit zu verstehen sei, mit Amerigo Vespuccis Schrift Mundus Novus verglichen und mit kryptozoologischer Literatur in Beziehung gesetzt. Dies führt zu dem Ergebnis, dass Caesars Erzählung aus antiker wie aus heutiger Sicht als Fiktion zu bewerten ist.


563-584  A. Rubel:
"Es begab sich aber zu der Zeit..." Neue Überlegungen zur Geburt Christi und zur Glaubwürdigkeit der Weihnachtsgeschichte nach Lukas


585-609  P. Emberger:
Zum Fortwirken des Iustinus in der frühmittelalterlichen Chronik des Regino von Prüm

Der Beitrag bespricht die Frage, in welchem Ausmaß der Epitomator Iustinus das Geschichtsbild des Abtes Regino von Prüm (um 840-915) in seiner Chronik geprägt hat. Aus dem Vergleich ergibt sich, dass Regino oftmals ganze Sätze und Gedanken von Iustinus wortgetreu übernommen hat, um Geschehnisse wie Schlachtbeschreibungen darzustellen oder um bedeutende Persönlichkeiten seiner Zeit zu charakterisieren. Die Chronik selbst ist in zwei Bücher unterteilt, den libellus de temporibus dominicae incarnationis und den liber de gestis regum Francorum, und reicht von Christi Geburt bis ins Jahr 908; gewidmet ist sie Bischof Adalbero von Augsburg (gest. 909).