1-6  W. Suerbaum:
Kann primus (wie prior) auch der erste von nur zweien sein? Zur Zahl der Bücher von Schriften, von denen nur ein liber primus zitiert wird, und zur Zahl der Lager des Varus bei Tac. ann. 1,61,2


7-32  C. Krause:
Die Metamorphose des Polyphem oder: Wie viele Wiederholungen verträgt eine Erzählung?

Die Erzählung des Achaemenides in Ovids Metamorphosen (Met. 14, 158-220) wird vor allem auf der Folie des vergilischen Prätextes gelesen und vielfach in die üblichen Begriffe von imitatio, aemulatio und Korrektur gefasst. Dem Text liegt jedoch gleichermaßen die homerische Erzählung zugrunde, so dass eine umfassende Analyse von diesen zwei Prätexten ausgehen muss. Stichworte wie imitatio oder aemulatio greifen hierbei zu kurz, um Ovids intertextuelle Methode zu beschreiben und seine Poetik zu fassen. Ein detaillierter Befund der unterschiedlichen Zitatebenen, strukturell, inhaltlich und lexikalisch, zeigt die enge Verwobenheit der Texte als Einladung des Dichters an den Leser, das intertextuelle Spiel als solches zu erfassen. Der Entwurf einer "intertextuellen Poetik" als Ergebnis der Analyse versucht, über die Idee der Abgrenzung und Kommentierung der Prätexte als poetisches Verfahren Ovids hinauszukommen.


33-48  C. Pieper:
Phaedrus' Ironie. Anmerkungen zum Prolog des dritten Fabelbuches

Die Selbstaussagen des Dichters Phaedrus in seinen Pro- und Epilogen wurden zu lange von der Forschung als autobiographisches Material behandelt. Dabei wurde jedoch häufig übersehen, wie sehr solche Aussagen an verschiedenen literarischen Diskursen teilhaben, die in der augusteischen Literatur ihre sichtbarste Ausprägung erhielten. Im Folgenden wird vor allem der Prolog zum dritten Fabelbuch einer Analyse unterzogen, die erweist, dass Phaedrus ironische Brechungen zum Programm seiner Dichtung vollzieht. Der Leser wird durch sich widersprechende Passagen, die sowohl die Person des Dichters als auch den Wert seiner Dichtung betreffen, fortwährend angeregt, kritisch mit dem Gelesenen umzugehen und ein eigenes Werturteil zu fällen. Dies ist nur möglich, wenn er Phaedrus als Literaten ernst nimmt und seinem Werk dieselbe interpretatorische Sorgfalt angedeihen lässt, die für die Lektüre angeblich gewichtigerer Poesie angemessen ist. Es geht Phaedrus somit in den Pro- und Epilogen nicht um das Verfassen einer eigenen Autobiographie, sondern um den Beweis des eigenen literarischen Vermögens.


49-66  F. Bernstein:
Das Imperium Romanum - ein 'Reich'?

Nicht als Dekonstruktion eines analytischen Konzepts, vielmehr als Plädoyer für eine eingeschränkte Reichweite des Reichsbegriffs versteht sich der Beitrag. Denn ein differenzierter und damit differenzierender Wortgebrauch dürfte die Eigenart des Imperium Romanum, seiner Entwicklung zumal, stärker ins Bewusstsein heben. An Überlegungen zu prinzipiellen Merkmalen eines Reiches, zu seinen konstitutiven Faktoren, schließt sich die Frage an, seit wann der römische Herrschaftsraum mit Recht als ein 'Römisches Reich' angesprochen werden kann. Sachliche Erwägungen schließen die Zeit der Republik aus, ein Befund, der auch aus lexikalisch-semantischer Perspektive gestützt wird. Es ist die neue Politik des Augustus, die das Imperium Romanum zu einem Herrschaftsgebilde formte, das den Namen 'Römisches Reich' verdient.


103-127  A. Luther:
Zum Orientfeldzug des Gaius Caesar

Kurz vor der Zeitenwende wurde C. Caesar, der Enkel und Adoptivsohn des Augustus, in den Orient gesandt, um den römischen Einfluss in Armenien wiederherzustellen und das Verhältnis zu den Parthern neu zu regeln. Die zeitgenössische Literatur und die offizielle Propaganda ziehen u.a. eine Verbindungslinie zwischen dem Feldzug des C. Caesar und dem Alexanderzug und deuten hierdurch die Idee der Weltherrschaft an. Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, ob sich eine derartige Tendenz auch in den Schriften Iubas von Mauretanien und Isidors von Charax nachweisen lässt, die im Vorfeld der Expedition für C. Caesar landeskundliche Handbücher über Arabien und das Partherreich verfassten.


129-140  L. Zieske:
Iulius Caesar in Vergils Aeneis

Die Verse 286-290 im 1. Buch der Aeneis beziehen sich auf C. Iulius Caesar, die Verse 291-296 auf Augustus. In dieser Prophezeiung des Iuppiter gegenüber Venus (v. 286-296) werden die Taten beider als Schritte hin zur Erfüllung der fata und insofern nicht kontrastierend, geschweige denn wertend behandelt. Anders verhält es sich mit den Darstellungen Neptuns und des Aeolus im 1. Buch der Aeneis: In der Darstellung des Neptun scheint die positiv gezeichnete Gestalt des Augustus durch, in der Darstellung des Aeolus, der als rex agiert, die Gestalt Caesars. Auf diese Weise übt Vergil, wie auch an anderer Stelle der Aeneis, Kritik an Caesar, ohne sie offen auszusprechen. Damit folgt er einer gängigen Praxis der augusteischen Dichtung.


141-148  A.A. Lund:
Zur Identität der von Tacitus Germ. c. 46 erwähnten Monstra

In diesem Artikel geht es zunächst um den Nachweis, dass Tacitus die so genannten Fenni gezielt als homines feri darstellt, um sie anschließend vom Ruch zu befreien, sie seien homines semiferi, d.h. monstra. Danach wird gezeigt, mit welcher Art von monstrum andere Autoren sie in der römischen Antike verglichen haben, wobei die verdorbene Textstelle (Germ. c. 46,4), die dies nicht hergibt, aus einer römischen Optik emendiert wird. Schließlich folgen einige Bemerkungen zum antiken Begriff des monstrum.


149-154  P. Habermehl:
Apuleiana recentiora


209-229  T. Itgenshorst:
Alltag, Mentalität und "vergangene Subjektivität". Möglichkeiten und Grenzen von Husserls Begriff der "Lebenswelt" in der altertumswissenschaftlichen Forschung

Der Beitrag beschäftigt sich mit der Rezeption des "Lebenswelt"-Begriffs von Edmund Husserl in den Altertumswissenschaften. Zunächst werden die bisherigen, primär im Bereich der Mentalitäts- bzw. Alltagsgeschichte angesiedelten Rezeptionswege vorgestellt. Aus dem Werk des Philosophen lässt sich aber noch eine weitere Bedeutung des Begriffes ersehen: die auf die subjektive Perspektive eines Individuums abzielende Dimension von "Lebenswelt". Die Perspektive dieser "individuellen Lebenswelt" wird dann exemplarisch an zwei Fragmenten der archaischen griechischen Dichtung (Xenophanes Fr. 2 West bzw. Kallinos Fr. 1 West) überprüft. Das Erklärungspotential von Husserls Konzept für altertumswissenschaftliche Fragestellungen lässt sich damit erheblich erweitern.


231-254  R. Hoffmann:
Latein und Griechisch in typologischen Perspektiven

Der vorliegende Beitrag versucht, die beiden europäische Leitsprachen Latein und Altgriechisch in typologischen Kontexten zu betrachten. Dazu werden in der Einleitung Methoden und Ziele der heutigen syntaktischen Sprachtypologie vorgestellt. In drei weiteren Teilen werden die beiden Sprachen anhand der typologischen Parameter Relativsatzbildung, Kausativität und Wortstellung untersucht. Dabei zeigt sich, dass diese Vorgehensweise nicht nur für typologische Fragestellungen grundlegend ist, sondern auch bei Einzelsprachen wie Latein und Griechisch neue Einsichten ermöglicht.


255-274  A. Wirsching:
Wie die Obelisken Rom erreichten

Die Weihung von zwei Obelisken 10 v. Chr. in Rom und die vorangegangene Aufstellung von zwei Obelisken 13/12 v. Chr. in Alexandria sind wegen der zeitlichen Nähe als römisch-ägyptisches Gesamtprojekt zu erkennen. Römische Schiffbauer studierten die Methode, Obelisken auf dem Nil zu transportieren - zwischen Schiffen im Wasser hängend - und wendeten sie auf den Transport über das Mittelmeer an. Die Doppelschiff-Technologie nutzt die Gewichtsminderung infolge des Auftriebs und erfordert keine Kraft anwendende Ladetechnik. Das römische Obeliskenschiff wurde aus drei Schiffen zusammengefügt: Zwei Schiffe trugen den Obelisken und das dritte, mittschiffs vorgespannte Schiff lieferte den Vortrieb. Legt man dieses Konstruktionsprinzip zugrunde, können die bisher unverständlichen Angaben in den Berichten von Plinius und Sueton zum Obeliskenschiff des Caligula und zu seiner Versenkung im Hafen von Ostia erklärt werden. Über Land wurden die Obelisken nicht auf Rollen gezogen, sondern mit großen Hebeln vorwärts bewegt. Ammians Bericht liefert hierfür das maßgebliche Indiz.


317-344  M. Janka:
Der Vater der Metahistory. Konstrukte des Eigenen und Fremden in Herodots Historiographie des Vergleichs

Der alten Frage nach Herodots Wirkungsabsichten will dieser Aufsatz mit einer narratologisch ausgerichteten Suche nach dem sich oftmals verbergenden Autor und seinen offenen oder impliziten Stellungnahmen zu der im Prooemium entwickelten Bipolarität begegnen. Dabei sollen zunächst Herodots Entwürfe vom Eigenen (Hellenischen) und Fremden (dem Barbarikum) als Konstrukte erwiesen werden, die der narrateur auf Komplementarität hin angelegt hat, um in der zweiten Werkhälfte beide Systeme in der großen Konfrontation der Perserkriege interagieren zu lassen. Um diesen Ausschnitt des großen Welttheaters aus der Warte seines Autors verlässlicher zu erfassen, werden neben den ausdrücklich selbst- und werkreferentiellen Stellungnahmen auch verdeckte Deutungssignale aufgespürt. Diese finden sich etwa dann, wenn der narrateur sich hinter Identifikationsfiguren verbirgt, die mit orientalischen Despoten (wie Solon vor Kroisos)oder griechischen Tyrannen in Kontakt treten.


345-366  W. Spickermann:
'Blitz gegen Blitz'. Neue Überlegungen zur Niederlage des Ptolemaios Keraunos gegen die Kelten 279 v. Chr.

Ein für Makedonien und Griechenland verheerendes Ereignis war der Kelteneinfall des Jahres 279/78 v. Chr., welcher erst nach der Plünderung Delphis aufgehalten werden konnte. Damit verbunden waren zwei Jahre der Instabilität und Anarchie in Makedonien, da der letzte vom gesamten Heer anerkannte König, Ptolemaios Keraunos, im Februar des Jahres 279 v. Chr. bei einer Schlacht mit dem keltischen Invasionsheer unter Bolgios gefangen genommen und getötet worden war. In diesem Beitrag soll es um die Frage gehen, ob die außenpolitische Katastrophe innenpolitische Gründe hatte, ein Aspekt, der bisher in der modernen Forschung vernachlässigt wurde.


367-369  A. Cucchiarelli:
Doppeltes Tabu. Zu Ovid Met. 3,98


371-377  N. Blößner:
Methodische Anmerkungen zu Raoul Schrott


425-450  J. Hahn:
Aristokratie und Philosophie im Imperium Romanum. Philosophische Bildung, soziale Identität und Elitekultur in der Kaiserzeit

Philosophische Bildung bedeutete für Angehörige der kaiserzeitlichen Eliten mehr als einen kultivierten Zeitvertreib. Der Unterricht bei einem Philosophen vermittelte vielmehr grundlegende Verhaltensweisen der späteren sozialen und politischen Praxis, so die Beherrschung der eigenen Emotionen, Kommunikationstechniken, Standesregeln und den Aufbau angemessener Beziehungen. Darüber hinaus trug die Beschäftigung mit Philosophie zur Persönlichkeits- und Identitätsbildung bei, signalisierte Sozialprestige und diente aristokratischer Selbstdarstellung und kultureller Selbstinszenierung. Paideia als exklusives Distinktionsmerkmal und Signum jener Eliten demonstrierte zudem soziale und moralische Superiorität der pepaideumenoi gegenüber der übrigen Gesellschaft.


451-463  R. Oniga:
Die Germania des Tacitus in einem postmodernen Roman

In R. Monaldi und F. Sortis Roman Die Zweifel des Salai (2008) entdeckt der Assistent und Adoptivsohn von Leonardo da Vinci, der auf den Spitznamen Salai hört, dass es sich bei Tacitus Germania um eine Fälschung durch Poggio Bracciolini handelt. Trotz der Inkonsequenz, die man den Autoren aufgrund der Beigabe eines umfangreichen pseudowissenschaftlichen Anhangs zum rein fiktionalen Text anlasten mag, offenbart der Roman paradigmatisch einige Wesenszüge, die für postmoderne Literatur bezeichnend sind, etwa Ironie, Verspieltheit, fragwürdige Erzählerfiguren, historiographische Metafiktion und Verschwörungstheorien.


465-473  P. Habermehl:
Der antike Roman. Publikationen der letzten Jahre


531-558  G. Schneeweiß:
Die Überlieferungen von Themison und Sardanapall. Zur Datierung des aristotelischen Protreptikos

Die geschichtliche Situation auf Zypern um die Mitte des 4. Jh. v. Chr., immanente Gründe in der Schrift selbst sowie, damit zusammenhängend, das Altersverhältnis des Verfassers zu seinem Adressaten, König Themison von Zypern, mitsamt den psychologischen Implikationen, schließen die bisher allgemein übliche Datierung des aristotelischen Protreptikos und die rein fiktive Ansetzung des Königs zu dieser Zeit aus. Für einen Neuansatz gibt die Identifizierung Themisons mit der tatsächlich historisch bezeugten Person dieses Namens eine überraschende neue Grundlage: Demnach wäre das Werk mehr als 15 Jahre später anzusetzen. Dasselbe folgt aus der Überlieferung vom letzten assyrischen König Sardanapall, der bei Aristoteles wie bei den Griechen schlechthin als barbarischer Ausbund von ausschweifendem Luxus galt. Das widersprach der historischen Wirklichkeit und dem Nachruf dieses Herrschers bei den Asiaten. Doch die Entdeckung seines vermeintlichen Grabes durch Alexanders Soldaten war offenbar willkommener Anlass, um durch Legendenbildung und besonders durch Formulierung einer symbolträchtigen Grabinschrift der Lichtgestalt des siegreichen Feldherrn ein abstoßend dunkles Gegenbild des überwundenen Reiches gegenüberzustellen. Mit dem Zitat dieser Verse weist der Protreptikos auf das Jahr 332 als t.p.qu.


559-573  S. Müller:
Demetrios Poliorketes, Aphrodite und Athen

Demetrios Poliorketes wird in den antiken Quellen als dekadentester der Diadochenherrscher beschrieben. Insbesondere die Berichte über seine Zeit haben das Negativbild geprägt. Diese Darstellung wird dekonstruiert durch den Nachweis, dass Aspekte seiner königlichen Selbstdarstellung, die missverstanden oder von der Propaganda seiner Gegner gegen ihn gewendet wurden, zu dem geformten Urteil geführt haben.


575-590  M. Korenjak:
Tibull: Werkstruktur und Gattungsverständnis

Wie bereits seit längerem bekannt, haben die Augusteer ihre Gedichtbücher in der Regel als klar strukturierte Einheiten konzipiert. In den letzten Jahrzehnten hat man zudem erkannt, dass sich dieser Gestaltungswille auch auf mehrere Bücher umfassende Sequenzen oder sogar auf das Gesamtwerk eines Dichters erstrecken kann. Der Aufsatz soll zeigen, dass Tibull sein zwei Bücher umfassendes Œuvre in diesem Sinne als ein Ganzes verstanden und durchgeplant hat. Dabei handelt es sich nicht um eine rein formale Übung. Vielmehr reflektiert Tibulls Werkstruktur sein Verständnis der Elegie als Gattung und seines eigenen Dichtens.


591-596  K.-W. Welwei:
Ein opus magnum zu Thukydides