1-21  I. Männlein-Robert:
Von Höhlen und Helden. Zur Semantik von Katabasis und Raum in Platons Politeia

In Platons Politeia werden die alten poetischen und religiösen Vorstellungen von Ekstase und Katabasis, verstanden als 'Abstieg in die Unterwelt' und 'Jenseitskontakt', ebenso wie der alte Mythotopos der Höhle philosophisch überformt. Die Höhle, in Mythos und Volksreligion bislang Raum für ekstatische Grenzerfahrungen und Offenbarungen, bekommt dabei eine neue vielschichtige Semantik und Symbolstruktur. Der charismatische Dialektiker Sokrates wird in der Politeia als philosophische Gegenfigur zu mythischen Helden, wie z. B. Odysseus, gezeichnet, wenn er in Höhlen Erkenntnis initiiert. In der Politeia sind somit eine ständig präsente mythische Substruktur wie die philosophische Neukonzeption von Höhle, Katabasis und Held eng miteinander verknüpft.


23-61  C. Klodt:
Patrem mira similitudine exscripserat. Plinius' Nachruf auf eine perfekte Tochter (epist. 5,16)

Pliny's epist. 5.16 on the deceased Minicia is different from his other obituaries and closer to the consolatory letters in the Ciceronian corpus, because it contains, in subtle form, criticism of her father Fundanus, who grieves excessively over her loss (thereby violating the aristocratic code of behaviour). In comparison with the young girl, who copes with illness and death through 'masculine' fortitude and a philosophical mind, the man, in spite of his age, sex and erudition, appears inferior. The letter's structure is that of an epicedion. Minicia is portrayed as a perfect daughter in accordance with the ideal emerging from e.g. consolatory letters and sepulchral epitaphs: without name, without a true character of her own, devoted to her (male) kin and in particular to her father, whose perfect "copy" she was (which again stresses the moral difference between both). Contrary to laudatory convention, Pliny does not praise Minicia's looks, even in connection with her imminent wedding. In all of his letters, he only talks about male beauty.


63-73  A. Becker:
"Germanía" bei Cassius Dio

Das vereinzelte Auftreten der Bezeichnung "Germanía" für das östlich des Rheins gelegene Gebiet bei Cassius Dio wurde in der Forschung als Reflexion auf die beginnende Provinzialisierung des Raumes zwischen Rhein und Elbe unter Augustus gedeutet. Der Gebrauch in den übrigen Partien von Dios Werk stützt diese Interpretation nicht, sondern verweist eher auf die Nutzung unterschiedlicher Quellen. Dabei deuten vor allem Cassius Dio 56,18,1-5 und Tacitus ann. 2,5 die ursprüngliche Existenz mindestens einer Quelle an, in der die augusteisch-tiberische Germanenpolitik differenziert thematisiert und über die Nacherzählung der Ereignisgeschichte hinaus einer strukturellen Analyse unterzogen wurde.