1-13  L. Thommen:
Res publica constituenda: Die Verfassung Sullas und ihre Aufhebung

Auch wenn im Jahre 70 v. Chr. einige zentrale Elemente der sullanischen Verfassung wegfielen, blieben andere Teile länger erhalten und ergeben Aufschlüsse über die Effektivität der sullanischen Reformen sowie über Sullas Handlungsspielraum im Rahmen der politischen Strukturen der späten römischen Republik. Untersucht werden sowohl die Mängel als auch die Beständigkeit und langfristige Bedeutung der Maßnahmen Sullas.


15-30  J. Christes:
Cicero und Sizilien

Als Cicero das Amt eines Quaestors in Sizilien wahrnahm, war er längst nicht nur mit der Literatur, sondern auch mit der Kunst der Griechen aus eigener Anschauung vertraut. Zahlreiche Stellen in den Reden gegen Verres (bes. in Verr. 2,4) belegen, dass er sich, wie in den Jahren 79/78 auf seiner Erholungs- und Bildungsreise nach Griechenland und Kleinasien, so auch während seines durch sein Amt bedingten Sizilienaufenthalts die Sehenswürdigkeiten der Insel nicht hatte entgehen lassen. Sein gespieltes Laientum in Kunstfragen entspringt nicht etwa feiger Scheu, sich zu seiner Begeisterung für griechische Kunst und Kultur zu bekennen; denn gegenüber dem hochadligen P. Cornelius Scipio Nasica, einem der Verteidiger des Verres, erhebt er selbstbewusst den Anspruch, ein Gesinnungsaristokrat zu sein - eine Argumentation, die sich in wesentlichen Punkten mit der eines anderen homo novus, des Marius bei Sallust (Iug. 85), deckt. Vielmehr nimmt er aus prozesstaktischen Gründen Rücksicht auf die Einstellung seiner Zuhörer, deren römischen Patriotismus er teilt. Das Proöm zu den Tusculanae disputationes erweist die Konstanz seiner in den Verrinen eingenommenen Haltung.


31-45  K. Bringmann:
Caesar und Augustus bei Hermann Strasburger, Matthias Gelzer und Ronald Syme. Ein Vergleich

Verglichen wird die historiographische Konzeption von R. Symes "Roman Revolution" mit dem Bild, das M. Gelzer und H. Strasburger, beide ehemalige Lehrstuhlinhaber für Alte Geschichte in Frankfurt, von Caesar bzw. Augustus gezeichnet haben. Dabei werden die unterschiedlichen Traditionen der Geschichtsbetrachtung in Deutschland und England ebenso gewürdigt wie die gemeinsame Grundlage der drei Historiker in ihrer Orientierung an den Quellen und der sogenannten prosopographischen Methode. In Hinblick auf die Kontroverse zwischen Gelzer und Strasburger über die Rolle Caesars wird die höchst unterschiedliche Reaktion der beiden Historiker auf das Erlebnis des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges besonders in Rechnung gestellt.


47-63  V. Riedel:
Johann Jacob Bodmers Stellung in der Geschichte der deutschen Antikerezeption

Bodmer gehört nicht nur zu den Wegbereitern der klassischen deutschen Literatur, sondern er hatte auch Anteil an der Neuakzentuierung des Antikebildes im 18. Jahrhundert. In seinen Schauspielen mit römischen Sujets hat er innerhalb der Tradition der heroisch-politischen Tragödie die Umformung einer höfischen in eine republikanisch-patriotische Gattung vollzogen. In seinen Dramen mit griechischen Stoffen zeigt sich die Tendenz zu einer Humanisierung der Mythen. Er rezipierte Aischylos und übersetzte erstmals Homer in Hexametern. Trotz mancher verwandter Gedanken fand er allerdings keinen (bzw. erst einen späten) Zugang zu Winckelmann und polemisierte heftig gegen Lessing - und seine Homer-Übersetzung wurde bald durch die Vossische verdrängt.


117-150  W. Stroh:
Lateinstadt München. Abschiedsvorlesung, gehalten an der Universität München am 17.11.2005

Zweimal in der Geschichte wurde München, wenn wir von Rom selbst höflichkeitshalber absehen, zur führenden Lateinstadt der Welt: 1559, als Herzog Albrecht V. die Jesuiten nach München rief; 1900, als der erste Faszikel des Thesaurus linguae Latinae erschien. Die erste Epoche war getragen von der Schule, die damals das Kulturleben Münchens mitgestaltete; die zweite stand und steht im Zeichen der Wissenschaftsinstitutionen Universität und Akademie, die, bei aller Wichtigkeit, das Leben der Stadt nie ebenso prägen konnten.


151-167  M. Hillgruber:
Der Drang des Mannes nach Bewährung. Inge Merkels Roman "Eine ganz gewöhnliche Ehe. Odysseus und Penelope"

Aus der Vielzahl moderner Romane, die sich des Stoffes der homerischen Odyssee bedienen, ragt die "Ganz gewöhnliche Ehe" der österreichischen Schriftstellerin Inge Merkel besonders heraus. In einer eigentümlichen Mischung von Traditionsgebundenheit und Originalität präsentiert sie uns in Odysseus und Penelope ein Paar, das die Ungleichheit der Geschlechter in den Dienst eines gemeinsamen Kampfes gegen die Widrigkeiten des Lebens stellt. Das dreitausend Jahre alte Heldenepos vom göttlichen Dulder und seiner treuen Gattin kommt als moderner Eheroman von zeitloser Aktualität daher.


223-251  A. M. Baertschi, Th. Fögen:
Zauberinnen und Hexen in der antiken Literatur

In diesem Beitrag werden ausgewählte Passagen aus der antiken Literatur beleuchtet, in denen die Zauberinnen Kirke und Medea, die Hexe Erichtho sowie einige grotesk-komische Hexen auftreten. Dabei werden zentrale Unterschiede zwischen den einzelnen Figuren herausgearbeitet, ohne jedoch damit eine rigide Typologisierung zu verbinden. Ausblicksartig sind zudem jeweils einige Aspekte der künstlerischen, vor allem literarischen Rezeption der einzelnen Gestalten einbezogen.


253-276   D. Gerstenberger:
Herodes, einer der "allerlasterhafftigsten" Könige. Herodes der Große in deutschen enzyklopädischen Lexika des 18. Jahrhunderts

Herodes der Große wurde - aufgrund der Legende um die Geburt Jesu im Matthäusevangelium - als "Kindermörder von Bethlehem" bekannt. Flavius Josephus, die Hauptquelle für Herodes' Leben und Wirken, zeichnet indes ein differenziertes Bild des Herrschers und schildert den Kindermord nicht (u.a. deshalb gilt er als historisch "unmöglich"). Wie kommt es, dass das Bild des tyrannischen und blutrünstigen Despoten bis heute tradiert wird? Die These lautet: Es waren nicht nur die Bibel und die Literatur der alten Kirchenväter, sondern auch Medien der Aufklärung, d. h. enzyklopädische Lexika des 18. Jh., die das negative Stereotyp nachhaltig ins öffentliche Bewusstsein brannten. Enzyklopädien und (historische) Wörterbücher tragen - als Institutionen, die den Anspruch haben, ausschließlich "gesichertes Wissen" zu vermitteln - zu einer Kanonisierung bestimmter "Wahrheiten" maßgeblich bei.


329-358  A. Wirsching:
Wie die Obelisken um die Zeitenwende und im 4. Jahrhundert aufgerichtet wurden

In den Jahren 13/12 v. Chr. wurden zwei Obelisken in Alexandria und unmittelbar danach zwei Obelisken in Rom aufgerichtet. Wie schon im alten Ägypten wurde auch um die Zeitenwende die Kammermethode angewendet. Man hob die Obelisken am schlanken Ende an und drehte sie um ein Gelenk an der Basis in die Vertikale. Um die "schon gebrauchten" Obelisken ein zweites Mal aufrichten zu können, mussten Stützkörper als Gelenk zwischen Obelisk und Sockel eingefügt werden. Im 4. Jh. wurden die beiden größten aller Obelisken in Rom und Istanbul nach derselben Methode, aber dem fortgeschrittenen Stand der Technik entsprechend, aufgestellt. Während man die Obelisken um die Zeitenwende zwischen Mauern aus Stein aufrichtete, wurden im 4. Jh. hohe Balkengerüste gebaut. Ammians Bericht zu dem Ereignis 357, Domenico Fontanas Beobachtungen am Vatican-Obelisk 1586 und der archäologische Befund an den Obelisken und ihren Sockeln bestätigen die Untersuchungsergebnisse.


359-382  Joachim Gruber:
16 Jahre Ausonius-Forschung 1989-2004 - ein Überblick


431-454  J.-W. Beck:
Senecas 107. Brief: 'Sand ohne Kalk'?

Der von der Forschung als Ganzes bislang weniger beachtete 107. Brief enthält neben der berühmten, auf ein passives Dulden abzielenden Versformulierung ducunt uolentem fata, nolentem trahunt die für die Stoa entscheidende Aufforderung zur praemeditatio und damit zu aktiver gedanklicher Vorwegnahme möglicher Schicksalsschläge. Ausgehend von antiker Kritik an Senecas Stil und seiner an Wiederholungen überreichen Darstellungsweise sind Aufbau und Gedankenführung des zweiteilig-kontrastiv angelegten Briefes besprochen. Die Zusammenstellung vergleichbarer Aussagen in den vorausgegangenen Briefen führt zu Überlegungen über Bedeutung und Funktion des inhaltlich wichtigen 107. Briefes an seiner späten Stelle innerhalb der Sammlung der 'Epistulae morales'.


455-470  Sabine Föllinger:
Lehren im Gespräch: Der literarische Dialog als Medium antiker Wissensvermittlung

Der Beitrag befaßt sich mit der Frage, warum in der Antike der Dialog eine beliebte Form der Wissensvermittlung darstellte. Vier Gründe werden, am Beispiel von Xenophons Oikonomikos, den Aristotelischen Dialogen und einem Plutarchdialog und unter Heranziehung der modernen Dialogformen von Werner Heisenbergs "Der Teil und das Ganze" und Imre Lakatos' "Beweise und Widerlegungen" herausgearbeitet: 1. Der Dialog ermöglicht dem Rezipienten den Nachvollzug der Wissenserschließung. 2. Er kann das Mittel der Asymmetrie flexibel einsetzen. 3. Die Dialogform setzt literarisch um, daß Erkenntnisgewinn in der Regel ein Synergieeffekt ist. 4. Nicht nur der dialektische, sondern auch der historische Prozeß des Erkennens wird personalisiert, insofern die Dialogpartner unterschiedliche, bestimmten historischen Positionen zuzuweisende Ansichten vertreten können.


519-528  M. Janda:
Memnon, Eos und die Aithiopen: Zu Herkunft und Transformationen eines Sagenstoffes

In der Diskussion um die Priorität von Ilias oder Aithiopis spielt die Frage nach der Herkunft des Aithiopenkönigs Memnon eine beträchtliche Rolle. Die sprachwissenschaftliche Analyse seines Namens und die Berücksichtigung seiner mythologischen Bezüge erlauben es, Memnons Vorgeschichte über einen langen Zeitraum hinweg in die Vergangenheit zurückzuverfolgen und eine rezente Erfindung durch den Aithiopis-Dichter auszuschließen.


529-545  P. Fleischmann, U. Schmitzer aufgrund von Vorarbeiten von F. Bömer: ...iunctae solacia mortis und una in urna (Ov. Met. 5,73 und 11,706)

Der folgende Beitrag lag Franz Bömer, von 1951 bis 1999 Herausgeber dieser Zeitschrift (siehe den Nachruf von R. Klein, Gnomon 77, 2005, 189-191), in den letzten Jahren seines wissenschaftlichen Arbeitens aus persönlichen Gründen besonders am Herzen. Allerdings sah er sich nicht mehr zur Ausarbeitung des gesammelten Materials über einzelne Formulierungsvorschläge hinaus in der Lage. Infolgedessen übernahmen Petra Fleischmann und Ulrich Schmitzer die Überprüfung und Aufarbeitung der Belege (die auch in sinn- und maßvoller Weise ergänzt wurden) sowie die Umsetzung in einen fortlaufenden Text, wobei auch neue Aspekte hinzukamen. Vor allem erwies es sich als unumgänglich, die unnachahmlich knappe Bömer'sche Diktion, die sich in jahrzehntelanger Kommentator-Arbeit herausgebildet hatte, gewissermaßen aufzubrechen, um den Text stilistisch nicht völlig auseinanderfallen zu lassen. Kennern der Kommentare zu den Fasti und den Metamorphosen wird dennoch so manches "bömerisch" vorkommen. Gegenstand der Untersuchung sind die Erscheinungsformen, in denen die Vorstellung vom gemeinsamen Grab als letztem Trost im Augenblick des Todes (oder in dessen Imagination) seit der frühgriechischen Literatur ausgedrückt werden, wobei der Ausgangspunkt, von dem aus literaturgeschichtlich nach hinten und nach vorne (bis ins 20. Jahrhundert) geblickt wird, Ovids Metamorphosen sind.