1-36  K. M. Girardet:
"Gerechter Krieg". Von Ciceros Konzept des bellum iustum bis zur UNO- Charta

Die Studie befasst sich in Teil I mit dem bellum iustum bei Cicero. In kritischer Auseinandersetzung mit der Forschung werden Ciceros Aussagen in den Werken, de re publica, de legibus und de officiis analysiert. Als durch Rechtsbruch anderer (iniuria) 'gerechtfertigter Krieg', der um der salus rei publicae/imperii/sociorum und um des Erhalts der fides von vertragsbrüchigen Bundesgenossen willen zu Vergeltung oder zur Prävention geführt wird (ulcisci, propulsare hostes), ist das bellum iustum zugleich auch ein 'gerechter Krieg', genügt so dem Erfordernis der iustitia in der Politik und kann zur Expansion des indirekten oder des direkten imperium p. R. führen. - Teil II ist dem Thema 'Augustinus und das bellum iustum' gewidmet. Im Gegensatz zu großen Teilen der Forschung stellt sich u.a. heraus, dass Augustinus keine spezifisch christliche Theorie des bellum iustum entwickelt, vielmehr Ciceros Kriterien übernommen hat und dass er bei aller Kritik am Imperium Romanum der Ansicht gewesen ist, dass dieses Reich im Einklang mit dem Willen des Gottes der Christen durch bella iusta entstanden war. - In Teil III wird ein kurzer Überblick über die Modifikationen der Vorstellung vom bellum iustum bis in die Neuzeit gegeben. Mehreren Artikeln der UNO-Charta, so zeigt sich, liegt unausgesprochen das ciceronianische Konzept des bellum iustum zu Grunde.


37-50  M. Baar:
duplices tabellae - triplex renuntiatio. Zur Ambiguität und zur intra- und intertextuellen Einbindung von Properz 3,23

Die Properzelegie 3,23 enthält, verborgen unter einer trügerisch einschichtigen Handlungsebene, eine dreifache renuntiatio. Diese lässt sich entschlüsseln mit Hilfe der interpretatorischen Methoden des "reader-response-criticism" und der intratextuellen Betrachtung. Properz erteilt in 3,23 sowohl der einen Geliebten (Cynthia) als auch den Frauen insgesamt eine Absage, und er wendet sich, hiermit einhergehend, von der bisher von ihm betriebenen Form der elegischen Dichtung ab. Mit programmatischem Anspruch ordnet er sich dabei zugleich in die Elite der augusteischen Dichter ein. Der Blick auf die Schlusselegie des 3. Buches (Prop. 3,24) bestätigt die Existenz der poetologischen Bedeutungsebene von Prop. 3,23. Ovid lässt in seinen auf Prop. 3,23 fußenden Amores-Gedichten 1,11 und 1,12 die poetologische Komponente zugunsten einer konkretisierenden und pointierenden Ausgestaltung zurücktreten.


51-60  M. Wenzel:
Mit den Waffen einer Frau. Zu Martial XI 71

In XI 71 führt Martial seinen Leser gleichsam als Zuschauer in einen skurrilen Geschlechterkampf, in dem die "Waffen einer Frau" vielfältige Anwendung finden. Auf der Grundlage der antiken Theorie über Ursprung und Therapie der sogenannten Hysterie, entfaltet der Dichter eine witzige Posse, die von schrägen Parodien (besonders um die Figur der livianischen Lucretia), von grotesker Situationskomik, rhetorischen Elementen und frivolen Anspielungen schillert - eine hochdramatische Komödie im Gewand eines Epigramms.


103-130  D. Engels:
Postea dictus est inter deos receptus. Wetterzauber und Königsmord: Zu den Hintergründen der Vergöttlichung frührömischer Könige

Aus dem Vergleich der Erzähltraditionen um Tod und Vergöttlichung von Aeneas, Latinus, Aventinus, Aremulus Silvius, Titus Tatius, Romulus und Tullus Hostilius geht hervor, dass hinter den Quellenberichten die Erinnerung an ein archaisches Ritual des Wetterzaubers steht, durch welches der mit Jupiter identifizierte König mittels der Imitation von Donner und Blitz den Himmelsgott zum Handeln zwingt. Dieses Ritual mochte teilweise auch den Tod des Königs implizieren, welcher nach seinem Selbstopfer vergöttlicht wurde.


131-148  N. Holzberg:
Vom vates zum Vater des Abendlandes. Metamorphosen Vergils durch die Jahrhunderte


149-179  Ulrich Schmitzer:
Neue Forschungen zu Ovid - Teil III


207-232  R. Klein (†):
Das Eigene und das Fremde. Roms politisch-geographische Denkweise über den orbis terrarum, mit einem Anhang: Ergänzungen zum Schriftenverzeichnis von Richard Klein

Der ideologisch begründeten Gleichsetzung von orbis terrarum und orbis Romanus von Cicero bis in die Spätantike steht eine realistische Denkweise gegenüber, die sich in Anerkennung von Flußgrenzen, Befestigungsanlagen und einer losen Anbindung von Klientelrandstaaten sowie in weitreichenden Handelsbeziehungen äußert. Was die Entdeckungen betrifft, so waren für die Römer durchwegs politische und wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend, wie sich bei der Erschließung des Nordens von Caesar über die Germanenpolitik des Augustus bis zu den Britannienfeldzügen Agricolas zeigen läßt. Zur Veranschaulichung dieser praktischen Ausrichtung werden der Periplus Ponti Euxini Arrians sowie die beiden anonym überlieferten handelsgeographischen Schriften Periplus Maris Erythraei und Expositio totius mundi et gentium vorgestellt. Abschließend wird das von Gegensätzen und Annäherung bestimmte Verhältnis zwischen der universal ausgerichteten christlichen Kirche und dem römischen Imperium von den Anfängen bis Augustin kurz nachgezeichnet.


233-249   Chr. Schmitz:
'Umwertung aller Werte' in Lucans Pharsalia

Mit Nietzsches Formel der 'Umwertung aller Werte' läßt sich ein Wesenszug der Pharsalia erfassen: die Verkehrung traditioneller und allgemein anerkannter Werte. Im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius, in dem Bürger, sogar Verwandte einander bekämpfen, herrscht ohnehin das Gesetz der Verkehrung. Daß das Verbrechen legitimiert wurde (ius... datum sceleri canimus, 1,2), wird bereits im Proömium als Grundthema der bella... plus quam civilia (1,1) genannt. In dieser verkehrten Welt geht die Zerstörung der Werte allenthalben mit einer Umdeutung der Begriffe einher: sceleri... nefando/nomen erit virtus (1,667f.). Es soll gefragt werden, wie sich die Umwertung der bis dahin gültigen Werte vollzieht, was jeweils den Ausschlag gibt, wer die Umdeutung vornimmt und von wem und warum diese anerkannt wird.


251-269  Norbert Blößner:
Platons missverstandene Ethik. Das neue Bild von Platons 'Staat' seit 1988


305-315  Peter Riemer:
Nichts gewaltiger als der Mensch? Zu Sophokles' Kritik an der zeitgenössischen Kulturentstehungslehre


317-335  Peter Kuhlmann:
Theologie und Ethik in Ovids Metamorphosen


337-355  Severin Koster:
"...des Springquells flüssige Säule". Beschreibungen des elegischen Distichons

Ausgehend von Beschreibungen des elegischen Distichons vornehmlich durch die Weimarer Klassik und deren zeitgenössische Rezeption werden die Aussagen der antiken Vorgänger interpretiert. Es stellt sich heraus, dass keine andere Versform die Bildhaftigkeit in vergleichbarer Vielfalt herausgefordert hat.


405-434  Ursula Gärtner:
consulto inuoluit ueritatem antiquitas - Zu den Werten bei Phaedrus


435-460  Christine Heusch:
Proteische Verwandlung: Die Figur des Peregrinos Proteus im Spiegel der zeitgenössischen Literatur

Der kynische Philosoph Peregrinos, dessen Selbstverbrennung bei der Olympiade des Jahres 165 n.Chr. großes Aufsehen erregte, hat in der zeitgenössischen Literatur höchst unterschiedliche Darstellung gefunden und so seinem Beinamen Proteus alle Ehre gemacht. Denn je nach Art des literarischen Werkes bzw. Milieus, in dem er erscheint, wechselt sein Charakter: In dem gesellschaftskritischen Pamphlet Lukians 'De morte Peregrini' wird er verspottet als ein Scharlatan, der bei den ebenso leichtgläubigen wie sensationshungrigen Zeitgenossen des religiös bewegten zweiten Jahrhunderts reüssiert. Während er den frühchristlichen Autoren je nach Kontext als positives oder negatives Exemplum eines heidnischen Philosophen bzw. als Beispiel einer postum kultisch verehrten Gestalt dient, mutiert er in den 'Noctes Atticae' des Aulus Gellius zu einem moralischen Vorbild und intellektuellen Protagonisten der Bildungskultur.


461-474  Nina Mindt:
Begegnungen mit "der Antike". Zum Umgang mit Rezeptionsformen/p>

Antike Texte, Bilder, architektonische Hinterlassenschaften, Theorien, Techniken, Ideen und Konzepte, also materielle wie immaterielle Relikte, sind immer wieder wahrgenommen, aufgenommen, verwahrt, angewendet, umgewandelt oder gar umfunktioniert, kurz: transformiert worden. Der Transformationsbegriff erlaubt es, ein breites Spektrum an Phänomenen in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, welche Antike jeweils zu verschiedenen Zwecken bewusst oder unbewusst konstruiert wird. Solche Produkte in all den verschiedenen medialen Repräsentationen konsequent ernst zu nehmen und nicht nur den Höhenkamm der Antikenrezeption in großen Renaissancen als Untersuchungsgegenstand zu begreifen, erweitert den Zuständigkeitsbereich der Altertumswissenschaften und stärkt transdisziplinäre Ansätze. Dadurch und unter Verzicht auf ein normatives Vorverständnis, was "richtige" oder "falsche" Rezeption der Antike sei, lassen sich viele versteckte Spuren aus der Antike wieder aufdecken. Neben dem größeren Arbeitsfeld von Antikeforschung ist außerdem ein methodologischer Gewinn auszumachen: Durch die Analyse und Systematisierung verschiedener Transformationstypen lässt sich ein solcher Vorgang genauer als bisher beschreiben. Je nach Verhältnis der Altertumswissenschaft zu bestimmten Transformationsvorgängen kann Transformationstheorie auch als Folie für die Geschichte der altertumswissenschaftlichen Disziplinen Verwendung finden


475-485  Uwe Walter:
Kein Anschluss unter dieser Nummer. Über den Versuch eines neuen "Staatsrechts" für Rom


509- 522  Dewid Laspe:
Actium. Die Anatomie einer Schlacht

Am 2. September 31 v. Chr. trafen bei Actium Octavian, Antonius und Cleopatra in der Schlacht aufeinander. Im vorliegenden Beitrag wird versucht, sowohl ein quellenkonformes als auch militärisch glaubwürdiges Bild vom taktischen Verlauf der Schlacht - mit besonderem Blick auf die drei Protagonisten - zu zeichnen. Abhängig vom Charakter des Kampfes wird auch die Frage nach dem eigentlichen Sieger der Schlacht neu gestellt


523-533  Volker Michael Strocka:
Vergils tibicines


535-558  Martin Hose:
Konstantin und die Literatur - oder: Gibt es eine Konstantinische Literatur?

Der Aufsatz stellt die Frage, ob es eine in der Konstantinischen Ära erkennbare neue Signatur der Literatur gibt, die es erlauben könnte, von einer 'Konstantinischen Literatur' zu sprechen. Eine positive Antwort auf diese Frage scheint möglich, da am Ende des 3. Jh. mit Nemesian eine 'Krise der Poesie' faßbar wird, in der die Dichter die Möglichkeiten ihrer Ausdrucksformen erschöpft sehen und nach neuen Wegen der Dichtung suchen. Demgegenüber bieten das 'Carmen de ave Phoenice' sowie Laktanz (Div. inst.) und besonders Konstantin selbst (Or. ad sanctum coetum) eine neue Perspektive für eine Dichtung, die über eine intensive Exegese eine neue Wahrheit eröffnet. Hierauf scheint die poetische Produktion der Konstantinischen Zeit Bezug zu nehmen: Sowohl in den Technopaignien des Porfyrius als auch in den Bibelepen der Proba und des Iuvencus wird eine hohe exegetische Leistung des Lesers verlangt, der im Text einen zweiten Text, eine höhere Wahrheit erkennen muß.


559-586  Mischa Meier:
Naturkatastrophen in der christlichen Chronistik. Das Beispiel Johannes Malalas (6. Jh.)


587-598  Arne Effenberger:
Nochmals zur Aufstellung des Theodosius-Obelisken im Hippodrom von Konstantinopel

Die beiden metrischen Inschriften an der Unterbasis des Theodosius- Obelisken im Hippodrom von Konstantinopel berichten von der Aufstellung durch den Stadtpräfekten Proculus in 30 bzw. in 32 Tagen. Die Inschriften können nicht später als Sommer 392 angebracht worden sein. Daß die Aufrichtung des ursprünglich 34,79 m hohen Obelisken bereits 390 gelungen war, ist nicht zu beweisen. Während oder kurz nach dem ersten Aufstellungsversuch zerbrach der Obelisk, doch ist die Ursache unbekannt. Bei der Aufrichtung des Reststücks wurde die Oberbasis eingefügt. Ihr Bildprogramm spiegelt die Herrschaftssituation um 390/392 wider und läßt sich mit keiner späteren Kaiserkonstellation in Einklang bringen. Das Zerbrechen des Obelisken kann mit keinem katastrophalen Ereignis nach 392 verbunden werden.